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Das Prinzip der Tensigrität verstehen

  • ullaburck
  • 21. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Das Tensigritäts-Modell nach Dr. Thomas Myers


Dr. Thomas W. Myers, der Entwickler des „Anatomy Trains“-Konzeptes, beschreibt den menschlichen Körper nicht als eine Ansammlung isolierter Einzelteile (Muskeln, Knochen, Organe), sondern als ein ganzheitliches Spannungsnetz, das auf dem Prinzip der Tensigrität beruht. Dieses Modell stammt ursprünglich aus Architektur und Biomechanik – es beschreibt Strukturen, die Stabilität durch ein dynamisches Gleichgewicht aus Spannung (Tension) und Kompression (Compression) erhalten.

Im Körper bedeutet das:


  • Faszien und Weichgewebe erzeugen kontinuierliche Zugspannung.


  • Knochen wirken als komprimierende Elemente.


Stabilität entsteht nicht durch starre Strukturen, sondern durch ausbalancierte Kräfte im gesamten Netzwerk.


Tensigrität und Bewegung


Im tensegralen Körpermodell ist Bewegung kein isolierter Vorgang einzelner Muskeln, sondern ein koordiniertes Gleiten und Verteilen von Spannung im faszialen Netzwerk. Das hat mehrere wichtige Gründe:


1.Kräfte werden verteilt, nicht lokalisiert. Ein Zug oder Druck an einer Stelle beeinflusst das gesamte Netzwerk. Dadurch erklärt sich, warum Probleme an Knie, Hüfte oder Rücken oft miteinander zusammenhängen.


2.Bewegung entsteht aus dem Wechselspiel von Anspannung und Entspannung. Das System braucht:

  • ausreichende Grundspannung, um stabil und handlungsfähig zu sein

  • genügend Nachgiebigkeit, damit Bewegungen frei und ökonomisch ablaufen können


  1. Bewegung wird effizienter, wenn die Spannungslinien gut organisiert sind. Faszien, die geschmeidig, gut hydriert und frei gleitfähig sind, ermöglichen ökonomische Bewegungsmuster.


Anspannung und Entspannung – ein dynamisches Gleichgewicht

Ein tensegraler Körper funktioniert nur, wenn Spannung und Entspannung im harmonischen Gleichgewicht stehen:


  • Zu viel Anspannung → das System wird steif, Bewegungen eingeschränkt, Kompensationen entstehen.

  • Zu wenig Spannung → das System verliert Stabilität, Überlastungen anderer Bereiche folgen.


Myers beschreibt dieses Gleichgewicht als eine Art „biologische Ökonomie“: Unser Körper passt ständig die Spannung im Fasziennetz an äußere Anforderungen an. Chronische Belastung, Stress, monotone Bewegungen oder Verletzungen können dieses Gleichgewicht jedoch stören – es entstehen Dysbalancen, die sich in Form von Schmerzen oder Funktionsstörungen äußern.


Myofasziale Meridiane (Bindegewebsketten) nach Thomas Myers


Myers identifizierte Anatomy Trains – lange Faszienzüge, die den Körper durchziehen und funktionelle Bewegungsmuster verbinden. Zu den wichtigsten gehören:


  • Oberflächliche Rückenlinie (ORL) – verbindet Fußsohle, Rückseite der Beine, Rückenstrecker und Schädeldecke


  • Oberflächliche Frontallinie (OFL) – Vorderseite des Körpers, vom Fußrücken bis zum Schädel


  • Lateral Linie (LL) – stabile Seitenlinie des Körpers


  • Spiral Linie (SL) – spiralförmige Verbindungen, wichtig für Rotation und Stabilität


  • Tiefliegende Frontallinie (TFL) – zentrale „Core“-Struktur aus tiefen Faszien, Zwerchfell, Psoas, Beckenboden


  • Arm Linien (Vordere und Hintere) – Verbindungen zwischen Brustkorb, Schultergürtel und Armen


Diese Linien beschreiben funktionelle Kontinuitäten – sie erklären, warum Spannung an einem Ende Auswirkungen auf ein ganz anderes Körperareal haben kann.

Zusammenhang zwischen den Faszienlinien, Schmerz und Verspannungen


1. Faszien übertragen Spannung über Distanz

Eine überlastete Struktur in der ORL (z.B. verkürzte Wadenmuskulatur) kann Spannung bis in den unteren Rücken oder Nacken übertragen.

2. Ungleichgewichte erzeugen Kompensationsmuster

Wenn eine Faszienlinie zu viel Spannung trägt, müssen andere Bereiche ausgleichen – es entstehen Überlastungen, Instabilität oder eingeschränkte Beweglichkeit.

3. Faszien speichern Stress und Schutzreaktionen

Emotionale Belastung oder chronischer Stress erhöhen die Grundspannung im faszialen Netzwerk. Die Folge:


  • erhöhte Muskeltonus


  • eingeschränkte Atmung


  • verringerte Gelenkbeweglichkeit


4. Verringerte Gleitfähigkeit führt zu Schmerz


Verklebungen, Dehydration oder Mikronarben im Fasziengewebe verhindern ein harmonisches Gleiten der Schichten – es entsteht Reibung, die das Nervensystem als Schmerz interpretiert.


5. Schmerz ist oft ein Hinweis auf Spannung in der Linie – nicht zwingend am Schmerzort

Myers’ Konzept hilft Therapeuten und Bewegungsexperten zu erkennen, welche Ketten beteiligt sind, statt nur lokale Symptome zu behandeln.



Das Integritätsmodell nach Thomas Myers zeigt, dass der menschliche Körper ein komplex vernetztes, dynamisches System ist. Gesundheit, Beweglichkeit und Schmerzfreiheit hängen davon ab, wie gut dieses tensigrale Gleichgewicht aus Anspannung und Entspannung funktioniert. Die von Myers beschriebenen myofaszialen Meridiane bieten eine praktische Grundlage, um Bewegungs- und Schmerzprobleme ganzheitlich zu verstehen und zu behandeln.


ree

 
 
 

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